Ich weiss, bin ja aus Berlin und lebe hier. Schon jetzt sind zu manchen Zeiten die Busse und Bahnen so überfüllt, dass der Fahrer (Bus) niemand mehr mitnehmen kann und vor allem Mütter mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer wie Rollatornutzer mitunter lange warten müssen. In Bahnen sind dann alle Sitzplätze besetzt, Fahrgäste stehen so dicht gedrängt, dass man nicht durchkommt und wer sitzt, macht meist nicht einmal Platz, wenn ein Schwerbehinderter sich eigentlich setzen müsste. Nicht einmal die extra ausgewiesenen Behindertensitzplätze werden geräumt.
Schon heute fehlen Fahrer, so dass viele Busse ausfallen. Springer halten zuerst die Bahnen in Betrieb, Busse stehen hintenan. Allerdings gibt es weite Gebiete ohne Bahn, so dass man dort auf Busse angewiesen ist.
Gut, als noch nicht so viele Menschen Autos hatten, hat es auch irgendwie funktioniert, aber es lebten auch weit weniger Menschen in der Stadt und viel mehr als heute fuhren Fahrrad oder liefen zur Arbeit, weil man noch Arbeitsstellen in der Nähe der Wohnung finden konnte. An Bussen und Bahnen fuhren damals auch Menschen quasi aussen auf dem Trittbrett mit und hielten sich an Haltestangen fest. Die grossen Busse hatten damals hinten keine Türen. Dafür gab es einen Schaffner, der im Fahren durch Busse und Strassenbahnen ging und die Fahrscheine verkaufte.
Damals gab es auch quasi Vollbeschäftigung und Arbeitslose kannte man so gut wie gar nicht, nicht einmal den Begriff als solchen, aber die Zahl der Einwohner wuchs drastisch, die Zahl der Arbeitsstellen jedoch nicht, aber die Zahl der Autos schon. In einer kurzen Strasse namens „Kurze Strasse“ kannte ich als Kind noch, dass dort höchstens mal 3-4 Autos parkten, während heute in der gleichen Strasse ständig mindestens 20-30 Autos stehen. Damals war ein unbekanntes Auto in der Strasse noch eine kleine Sensation, man musste sofort hin und gucken, was das für eins ist.
Im Westen Berlins gab es damals noch Strassenbahnen, aber mit Zunahme der Privatautos setzte die Regierung nur auf Busse und Mitte der 60er Jahre schaffte man die Strassenbahnen nach und nach ganz ab. Bis zur 3. Klasse konnte ich noch mit der Strassenbahn zur Schule fahren, danach gab es keine mehr.
Das Konzept ging auch gut auf und die Busse nahmen den Verkehr auf, der abzüglich der mehr werdenden Autofahrer übrig blieb. Nun gibt es, rund 50 Jahre später, etwa 1,2 millionen Pkw in Berlin und wenn man ungenutzte Fahrzeuge und Mitfahrer mal grob schätzt, wären das tagtäglich rund 1 million Fahrgäste mehr, wenn die Autos plötzlich völlig verschwinden würden. Jetzt zur Zeit sind davon nicht einmal 3000 Elektroautos dabei. Viele Autofahrer werden sich auch in absehbarer Zeit kein neues Elektroauto leisten können und ein Markt an Gebrauchten ist praktisch nicht vorhanden.
Die Regierung hätte also eine gewaltige Aufgabe vor sich, zu der bis jetzt ausser Absichtserklärungen und Forderungen nichts existiert, also nicht einmal ansatzweise ein durchführbarer oder überhaupt finanzierbarer Plan. Es fehlt praktisch an allem, also sowohl der erforderlichen Zahl an Fahrzeugen, der erforderlichen Zahl an Ladestationen und sogar der erforderlichen Menge an zusätzlicher Energie und das zu einer Zeit wo man noch vor kurzem darüber nachdachte, nachts die Strassenbeleuchtung teilweise abzuschalten, um Strom zu sparen, dessen Erzeugung nicht nur teuer, sondern auch umweltschädlich sei. Auch der Öffentliche Nahverkehr bräuchte bis dahin weit mehr Busse und sogar Fahrer sowie mehrere neu einzurichtender Strassenbahn- und U-Bahnlinien bzw. deren Verlängerung. Leider ist nichts davon bisher auch nur ansatzweise in Planung, weil noch niemand überhaupt weiss, was genau da alles zu planen wäre oder wie man das alles bei parallelem Wegfall der gesamten Kfz- und Benzinsteuer finanzieren könnte…