Berlin hat gewählt, aber was nun?

Berlin hat gewählt, und zwar wie erwartet deutlich kritisch und deutlich unzufrieden mit der momentanen Regierung mit deutlichen Verlierern in der gesamten Regierungskoalition und einem noch deutlicheren Gewinner auf der bürgerlichen Seite der Politik, der CDU. Auch die AfD hatte kleine Zugewinne, die derzeitigen Regierungsparteien allerdings allesamt Verluste. Die FDP ist nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten, scheiterte an der 5% Hürde und es hat keine der sich bewerbenden kleineren Parteien (insgesamt rund 9% für „Sonstige“) geschafft, sich der 5% auch nur anzunähern.

 

Mit der CDU als deutlichem Wahlsieger mit 28,2% sollte der Auftrag der Regierungsbildung eigentlich klar sein, doch durch die Konstellation SPD (18,4%), Grünen (18,4%) und Linke (12,2%) könnte auch die bisherige Koalition durchaus eine Regierung ohne Wahlsieger CDU bilden und den Wählern damit die Klatsche zurückgeben, die man von ihnen eigentlich soeben erhalten hatte. Rechtlich wäre das auch nicht zu beanstanden, allerdings wäre es wenig demokratisch, da der Wählerwille damit komplett, nur leicht geschwächt, abgebügelt würde. Womöglich hätte eine höhere Wahlbeteiligung (diese lag mit nur 63% deutlich unter der letzten) andere Ergebnisse gebracht, aber sie war halt so gering, also muss man damit leben.

Natürlich sieht die CDU den Auftrag der Regierungsbildung bei sich und lädt deshalb als erste die anderen Parteien zu Gesprächen ein. Kommt hier jedoch keine Koalition zustande, ist die bisherige Koalition am Zug und schafft diese es, sich zu einigen, wird die neue Regierung auch die alte Regierung sein. Einige Stimmen hatten bereits vor der Wahl deutlich gemacht, auch im Fall eines Wahlsieges der CDU die alte Koalition zwischen SPD, Grünen und Linken fortzuführen, auf den Willen der Wähler also keine Rücksicht zu nehmen bzw. diesen sehr frei auszulegen. Einige Bezirksbürgermeister und Stadträte pochen nach der Wahl auch bei völlig anderer Ausgangslage nun auf das „Beamtenrecht“, wollen ihre Posten also trotz teilweise völlig anderer Mehrheiten nicht räumen.

Die Krone setzten nun allerdings einige grüne und linke Politiker der Sache auf, indem sie nicht etwa die eigene fehlerhafte Politik einräumten, sondern den Wähler beschuldigen, falsch gewählt zu haben, nämlich rassistisch, rechts und unsozial. Entsprechende Äusserungen finden sich in sozialen Medien und der Tagespresse, lassen ein zumindest schwieriges Verhältnis jener Politiker der Demokratie gegenüber vermuten. Kurz vor der Wahl kam aus diesem Kreis ein Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht, die Wahl im letzten Moment doch noch zu kippen. Dieser Antrag ist bekanntlich gescheitert, die Wahl fand statt. Nun akzeptiert man allerdings das Ergebnis nicht.

Darauf, den sich veränderten Wählerwillen zu akzeptieren und die demokratischen Konsequenzen daraus zu ziehen, kommt man offenbar gar nicht erst. Vielmehr trachtet man bei den Koalitionseliten danach, die eigentlich ja abgewählte Koalition um jeden Preis weiterzuführen, was man ja aufgrund der gegebenen, aber sehr viel knapper gewordenen Mehrheit auch tun könnte. Weit ehrlicher wäre jedoch, den Wechsel zuzulassen, doch dann könnte Franziska Giffey als künftiger Juniorpartner der CDU nicht Regierende Bürgermeisterin bleiben. Das jedoch will sie unbedingt, obwohl gerade ihre Partei und ihre Arbeit in der Wahl am meisten abgestraft worden sind und eine deutliche Mehrheit der Bürger Berlins mit der Arbeit der Regierung unzufrieden ist. Hier könnte auf die Pannenwahl von 2021 nun die Wahl-Farce von 2023 folgen, die zwar technisch wenigstens funktioniert hat, die dahinter liegende Demokratie allerdings nun direkt in Frage stellt, wenn die Wahl und ihr Ergebnis keinen Einfluss mehr darauf hat, ob und was sich dadurch verändern kann. Die geringe Wahlbeteiligung von nur 63% zeigt, dass ein grosser Teil der Bevölkerung das Vertrauen in die Demokratie bereits verloren hat.

Damit sollte klar sein, dass die letzten beiden Wahlen in Berlin keine Sternstunden der Demokratie waren, wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen und Auswirkungen. Dass bei dieser Arbeitsweise der Volksvertreter in der Bevölkerung das Vertrauen an die Demokratie massiv schrumpft, ist folglich nicht wirklich ein Wunder. Dennoch sollten die Menschen nicht die Köpfe in den Sand stecken und resignieren, sondern sich erst recht politisch mit einbringen und wenn sie es schon nicht schaffen, eine gute Regierung zu bekommen, dann wenigstens dieser eine möglichst starke und arbeitsfähige Opposition entgegenzuwählen, die in der Geschichte der Bundesrepublik nie so gebraucht wurde wie heute.

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